Madonna am Lido

Das im Lichtstrahl, das ist Madonna...

Es ist fast so etwas wie eine Festivalregel: der meiste Lärm wird um Filme gemacht, die hinterher niemand gemocht haben will. Madonnas „W.E.“, ihre zweite Regiearbeit, mag dafür mal wieder ein gutes Beispiel sein. Obwohl er außer Konkurrenz läuft, war der Andrang fast größer als bei George Clooney, bei der Pressevorführung genauso wie bei der Pressekonferenz. Die Reaktionen im Saal waren zunächst das, was man wohl als zurückhaltend positiv beschreiben kann; in der PK gab es mehr ehrfurchtsvolle als bohrende Fragen. Aber in den Kritiken fand der Film selbst dann denkbar wenig Gnade. Was vielleicht auch nicht ganz gerecht ist.

Wo „The King’s Speech“ damit wucherte, dass er eine Geschichte erzähle, die hinter dem historischen Skandal, dass ein britischer Thronfolger wegen einer geschiedenen Amerikanerin abtrat, bislang als unterbelichtet galt und damit unser aller Herzen für den unglamourösen Stotterer von Colin Firth vor dem oberflächlichen Charmeur Guy Pearce gewann – liefert Madonnas „W.E.“ nun wiederum dazu die Gegengeschichte. Nicht als historisches Original, soll heißen nicht in der Geste des „so war es wirklich“, sondern als Mythos einer großen Liebe, die ihre Spuren im romantischen Denken folgender Frauengenerationen hinterlassen hat. Man kann dem Film entnehmen, was Madonna selbst an der Geschichte fasziniert hat: die Größe der Geste von Edward, wo gab es das schon, dass einer auf den Thron verzichtet „für eine Frau“? In den Teilen, in denen der Film die historischen Ereignisse nachspielt, wird beklagt, dass niemand sieht, dass auch Frau Wallis Simpson eine Menge aufgegeben hat, als sie sich für Edward entschied. Dieses Manko auszugleichen trägt der Film zwar als Absicht vor sich her, er erfüllt sie aber nicht wirklich. Statt dessen führt er eine zweite Erzählebene in der Gegenwart (die irgendwo mit 1998 angegeben wird) ein. Dort lebt Abbie Cornish als „Walli“ das Luxusleben einer reich verheirateten jungen Frau, die auf Wunsch ihres Mannes ihren geliebten Job bei Sotheby’s aufgegeben hat. An ihrer alten Arbeitsstätte wird gerade die Hinterlassenschaft von Wallis und Edward ausgestellt und Walli geht täglich als Besucherin hin und obsessiert über silbernen Tabakdöschen und seidenen Handschuhen über die Fragen von Liebe und Leidenschaft und was daraus wird. Während der Film zwischen den Epochen hin- und herschneidet, beleuchtet er gewissermaßen zwei Frauenschicksale. Wallis, sehr ausdruckstark und gleichzeitig zerbrechlich von Andrea Risebourough gespielt, wird nicht als große Romantikerin geschildert, sonder als taffe Gefährtin gleich mehrerer Männer, die sie mit Sensibilität und Aufmerksamkeit zu becircen wusste. Walli, der Abbie Cornish unter der glatten Fassade des Park-Avenue-Weibchens etwas von ihrem Tomboy-Charme unterjubelt, zieht aus der obsessiven Beschäftigung mit der „größten Romanze des Jahrhunderts“, dass es sich nicht unbedingt lohnt, an solchen Projektionen festzuhalten. Außerdem steht in den Kulissen ja auch schon der um sie werbende und gutaussehende Oscar Isaac bereit.

Auf der historischen Ebene macht sich der Film zweifellos angreifbar, nicht zuletzt, weil er in fast aufdringlicher Weise den „Gerüchten“ widerspricht, Wallis und Edward hätten Sympathien für die Nazis gehegt. Als Film über die sehr weibliche Besessenheit mit der „großen Liebe“ und der Frage, wie lang es sich in ihr aushalten lässt, aber besitzt „W.E.“ durchaus Überzeugungskraft. Sie sehe Filmemachen als gar nicht weit vom Songwriting entfernt, sagte Madonna in der PK. Vieles an „W.E.“ erinnert denn auch an das, was einst Videoclipästhetik genannt wurde: das Hochglanzambiente, das in jeder Einstellung Luxus und Dekadenz schreit, ein fast nervöser Wechsel der Kameraperspektiven, von ganz oben bis ganz nah und dann den Korridor lang, und der immer etwas zu hektische Schnitt. Aber wenn man es als genau das sieht, eine Videoclip-Version der großen Romanze, dann macht der Film richtig Sinn. Wie gingen noch mal Edwards unsterbliche Worte bei seiner Abdankung: „I have found it impossible … to discharge my duties as King … without the help and support of the woman I love.”  Das sind doch lyrics!

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